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Memo: Mental Load - ein Beispiel in Worte gefasst

Autorenbild: winnieulbertwinnieulbert

Aktualisiert: vor 5 Tagen

Das Kind ist krank - und alles läuft anders als geplant 🤒🤮😷🙆😢😵‍🤯😟🤷👯

In schwarzer Schrift: Was Zuhause passiert; in blauer Schrift: Gefühle, die im Außen vielleicht nicht sichtbar sind und sich nicht durch Fragen oder als To Do aufdrängen, sondern einfach gefühlt werden und die ich zusätzlich verarbeiten darf...

in < > und roter Schrift: < Was gleichzeitig zu dem "im Außen" noch in meinem Kopf abgeht -> der Mental Load >



Es ist 6:30 Uhr, ich stehe in der Küche, als meine Tochter zu mir getapert kommt.

Ich nehme sie in den Arm und bemerke, dass sie ganz warm ist; sie ist ganz unglücklich und weinerlich und dann übergibt sie sich auch schon - die erste Hälfte landet auf unseren Klamotten und in ihren Haaren; die zweite in der Küchenspüle.

Ich trage sie ins Badezimmer und schäle sie aus dem dreckigen Schlafanzug; dann spüle ich ihr behutsam das Erbrochene aus den Haare. < Oje, arme Maus. > Der kleine Körper zittert. < Was hat sie bloß? Wenn sie heute nicht in den Kindergarten geht, muss ich mich bei der Arbeit "kindkrank" melden. >

Ich trage sie zurück in ihr Bett - dort möchte sie nicht sein. < Sie möchte nicht alleine sein. > Als ich sie ablege, hält sie meine Hand ganz fest. < Die Mail mit dem Angebot für die neue Kundin muss heute unbedingt raus und die zwei Termine am Nachmittag... wie soll das gehen? > Die Kleine möchte in meinem Bett liegen. Ich nehme frische Klamotten aus der Schublade und trage sie in mein Schlafzimmer. Der kleine Körper zittert, schubhaft, immer wieder und jetzt erscheint sie mir fast etwas kalt?!  < Ich muss im Kindergarten Bescheid geben, jetzt ist aber noch keiner da. > Ich lege mich zu ihr. < Ich brauche eine Krankschreibung für meine Arbeit und muss deshalb mit ihr zum Arzt - auch wenn Ruhe jetzt sicherlich viel angebrachter wäre und für uns beide sehr viel entspannter. Wenn das kein Virus ist, dann nehmen wir bestimmt einen mit, wenn wir bei der Ärztin im Wartezimmer warten, jetzt wo das Immunsystem eh schon runter ist... > Die Situation überfordert mich und eine gewissen Hilflosigkeit gesellt sich zum eh schon vorhandene Besorgnisgefühl in mir. < Ich versuche mich zu sortieren und die nächsten Schritte klar zu haben. >

Dann erkläre ich meinem Kind, was ich jetzt als nächstes tun werde: "Ich werde etwas zu Trinken und eine Eimer holen, falls du dich nochmal übergeben muss. Ich werde mich auch kurz umziehen und dein Tonie-Box holen. Ich beeile mich und bin gleich wieder da." Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und mache mich dann erst auf in die Küche bevor ich mir neue Klamotten aus dem Kleiderschrank im Flur hole - ich komme auch nur bis zum Umziehen. < Ich muss ja anrufen... wen zuerst? Erstmal checken, wann die Kinderärztin öffnet. Ich spreche einfach auf den AB. Wo ist mein Handy? Da fällt mir ein, dass ich es in der Küche abgelegt habe. >

Ich gehe in die Küche und rufe die Kinderärztin an. Der AB informiert mich über ein neues Terminbuchungsverfahren. Ab jetzt sind Terminbuchungen nur noch online über die App möglich - notfalls per Mail... Mein Kind ruft nach mir. Es möchte die versprochene Tonie-Box haben und Bibi Blocksberg hören. Auf dem Weg ins Kinderzimmer lade ich gleichzeitig die App für die Terminbuchungen herunter. < Heute ist ja Mittwoch und der Friseurtermin steht an. Den muss ich dann auch noch verlegen. > Ich setze mich auf das Bett im Kinderzimmer und öffne die App. Ich muss mich anmelden... mein Kind ruf nach mir. < Ach ja, die Toniebox. >

Ich bring ihr die Lautsprecherbox und den Bibi-Tonie und lege mich neben meine Tochter. Für die Anmeldung benötige ich auch die Krankenkassenkarte meiner Tochter und von mir selbst. Ich bin total genervt, dass ich mich jetzt da auch noch anmelden muss...

Ich stehe wieder auf, um die Karten zu holen. "Mama!" ruf die Kleine, dann übergibt sie sich auch schon. Das meiste geht tatsächlich in den Eimer, nur die Bettdecke hat ein bisschen was abbekommen. Sie legt sich ganz erschöpft zurück ins Bett. Ich gebe ihr noch einen Kuss auf die Stirn und zieh die Bettdecke direkt ab. Die schmutzige Decke lege ich in die Badewanne. Dann hole ich einen nassen Waschlappen, um ihn ihr auf die Stirn zu legen und ziehe einen frischen Bezug auf die Decke. Danach wieder zurück ins Badezimmer um den Bettbezug auszuspülen. Er wandert anschließend direkt in die Waschmaschine. < Ich frage mich, was noch mit 60°C gewaschen werden kann? > Ich ziehe auch ihr Bett im Kinderzimmer ab und legen zwei weitere Handtücher in die Maschine und schalte sie an. < Ich hab noch gar nicht bei der Arbeit Bescheid gegeben. Ich muss mein Team informieren; außerdem möchte mein Arbeitgeber das ich in der Personalabteilung Bescheid gebe und wenn mir die Krankschreibung dann vorliegt (im besten Falle bis 11 Uhr...) soll ich sie als erstes per Mail an die Personalabteilung schicken - das Original muss dann innerhalb der nächsten drei Tage in der Geschäftsstelle vorliegen. > Ich lege mich wieder zu meiner Tochter ins Bett und schreibe meinen beiden direkten Teammitgliedern. < Das Personalbüro ist ab 7 Uhr besetzt... Dann jetzt erstmal die Anmeldung bei der App abschließen und anschließend anrufen. Wo hab ich die Kartenversicherungskarten hingelegt?! Hier. > Die Anmeldung nervt - es geht aber nicht ohne. < Geschafft. > Jetzt kann ich mich für Termine anmelden. Der nächstverfügbare "Akuttermin" ist morgen um 10:30Uhr... < Was soll das denn für ein "Akuttermin" sein? > Ich bin irritiert und gefrustet, dass nichts einfach mal einfach sein kann. Also schreibe ich noch eine Mail mit Rückrufbitte an die Kinderarztpraxis. < Ich versteh das System nicht. > Ich ärgere mich noch immer. < Ich wollte noch irgendwo anrufen... Ach ja, Personalabteilung und Friseur und ?? war da nicht noch etwas?? > Ich rufe die Personalabteilung an, gebe Bescheid und habe dabei ein total schlechtes Gewissen. Ich werde gefragt, wie lange ich fehlen werden. Ich teile ihr mit, dass ich das nicht weiß, erstmal für heute. Die Kollegin erinnert daran, dass sie die Krankschreibung gerne bis 11 Uhr per Mail hätten. Ich fühle wie ein unangenehmer Druck in mir aufsteigt. Ich machen meinem Frust Luft und berichte vom Terminbuchungsprozedere, erkläre das ich bisher noch keinen Termin vereinbaren konnte und unangemeldete Praxisbesuchen unerwünscht wären. Die Mitarbeiterin der Personalabteilung weißt mich daraufhin, dass das schon immer so gehandhabt wird und es mir daher wohl möglich sein wird. Ich bin traurig und fühle mich erschöpft - ich bin noch keine Stunde wach und würde mich am liebsten unter der Decke verstecken und < einfach allen Verpflichtungen für den Rest des Tages entfliehen. Mit meiner Tochter kuscheln und für sie da sein, dass würde ich noch gut hinbekommen, denke ich mir. > Wir beenden den Anruf und ich spüre das mein Körper kribbelt - dazu eine Gefühlsgemisch aus Überforderung und Ärger aber auch Traurigkeit und Erschöpfung. Außerdem habe ich langsam einen richtigen Kloß im Hals. < Ach, die Kita. Da musste ich noch Bescheid geben - Friseur und Kita. > Ich bekomme eine Nachricht von einem Teamkollegen, der schreib: "Das kommt ja echt ungelegen! Ich hoffe, dass deine Kleine schnell wieder gesund wird. Viel Spaß beim Ausruhen." Ich nicke nur, schließe die Augen und spüre, wie mir Tränen über's Gesicht laufen. Ich habe das Gefühl, dass nun auch noch der Kollege sauer auf mich ist, weil ich dann heute nicht zur Arbeit komme. Ich kuschele mich einen Moment zu meiner Tochter, die mittlerweile wieder neben mir eingeschlafen ist. "Ist bestimmt nicht so gemeint.", versuche ich zu mich selbst zu beruhigen, aber die Nachricht fühlt sich wie eine Vorwurf an. Nach ein paar tiefen Atemzügen öffne ich die Augen und checke die Uhrzeit 07:15 Uhr. < Die Kita öffnet erst um 7:30 Uhr, denke ich. Dann erstmal beim Friseur eine Nachricht hinterlassen. > Ich suche die Nummer vom Friseur raus und der AB meldet sich. Ich bitte um Rückruf zur Terminverschiebung und bin auf dem Weg in die Küche, um selbst etwas zu essen. Während ich schnell eine Brot mit Frischkäse in mich reinstopfe, recherchiere ich parallel das Thema "Schonkost", um meiner Tochter auch etwas anbieten zu können. < Jetzt sollte ich auch eine Erzieherin in der Kita erreichen. > Ich suche die Nummer der Kita raus und ruf an.

So, ist es. Jemand nimmt ab; zeitgleich höre ich, dass die Kleine weint. Auf dem Weg zurück zu ihr ins Schlafzimmer, melde ich meine Tochter für heute krank. Bei ihr angekommen nehme ich sie in den Arm und beende den Anruf. < Die Erzieherin hat mich noch um zwei Sachen gebeten: Gerade kann ich mich aber nur noch an die Einverständniserklärung für den Fototermin in drei Tagen erinnern. Ich versuche mich zu erinnern, aber ich komm einfach nicht drauf. >

Mein Kind sagt erschöpft, dass es Bauchweh hat und etwas trinken möchte. Ich nehme ihren Wasserbecher aus dem Regal beim Bett und unterstütze sie beim Trinken. < Gleichzeitig überlege ich, ob ich jetzt erstmal allen Bescheid gegeben habe... >


Mental Load Beispiel - Zusatzinfo

Ich höre an dieser Stelle mal auf und hoffe, es war anschaulich genug - Viele Gedanke, viele To-Dos, in einem sehr überschaubaren Zeitraum von nur einer Stunde. Organisationsarbeit ohne Ende um im Grund vor allem eine Sache realisieren zu können: Für meine Tochter da zu sein, sie zu umsorgen und gesund zu pflegen, damit dann alles wieder in geordneten Bahnen ablaufen kann.

Vermutlich kennt ihr solche Situationen eh zu genüge selbst. Aber ich muss gestehen, das "runterschreiben" einer solchen Situation tut gut und zeigt auf, wieviel Menschen leisten, die sich um andere Menschen kümmern. Wieviel ich leiste.

Ich darf mir das wirklich öfter bewusst machen und mir dann dementsprechend Pausen gönnen. Gleichzeitig frage ich mich jedoch, wie zur Hölle soll ich das machen - das mit den Pausen?


Eine Sache sei noch gesagt: jedes Mal ist es anders und wir gehen so gut wir können damit um. Oftmals kommen zu einem solchen Szenario noch beliebte "Add-ons" hinzu...(Wähle 1-5 Eskalationsmerkmale oder ergänze um eigene):


  • Ich bin alleine mit Kind.

  • Ich habe ADHS oder leide selber gerade unter PMS oder einer Migräne.

  • Ich habe zwei (oder mehr) Kinder.

  • Heute um 11Uhr kommt der Elektriker vorbei, um den Herd anzuschließen - dabei ist das der einzige Termin den die Kinderärztin mir geben konnte.

  • Morgen steht ein wichtiges Event bei der Arbeit an und dafür gibt es noch einiges zu tun.


[In diesem Beispiel für Mental Load war ich morgens allein mit Kind. Aber es ist nochmal ein ganz anderer Schnack, ob ich diesen einen Morgen allein mit Kind bin oder generell. Mir persönlich verschafft es eine große Erleichterung, wenn ich in einem ruhigen Moment, dann Kontakt mit meinem Mann aufnehmen kann, um ihm einfach von meinem Morgen zu berichten. Es gab Zeiten, da musste ich da alleine durch und wer ein wenig mit meiner Geschichte vertraut ist, der weiß, dass ich dafür nicht gemacht bin - dass ich das nicht gut geschafft habe und es mich schließlich ins Burnout und in mehrere depressive Episoden über die Jahre manövrierte.]


Falls du solche Szenarien kennst:

  • Du machst einen krassen Job.

  • Du bist NICHT am Scheitern.

  • Du darfst dich beschweren und dafür einstehen, dass das nicht alleine zu wuppen ist.

  • Es gibt kein PERFEKT und eine "Rabenmutter" ist ein Vogel mit Küken...


🤯🤍 Winnie

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